20. Juli 2018 –
Auf der Treppe sitzt man im Kino normalerweise nicht. Bei den Oberbayerischen Trickfilmtagen gab es aufgrund der großen Nachfrage eine Ausnahme: 93 Grundschüler am ersten und 122 am zweiten Vormittag sorgten mit ihren Lehrern für einen bis auf den letzten Platz gefüllten großen Kinosaal. Erstmals fand auch am Mittwochnachmittag Programm statt, zu dem 80 Jugendliche und Hortkinder kamen. Das Festival bot den Schülern im Rahmen der Chiemgauer Kulturtage die Möglichkeit, ihre im Unterricht selbst produzierten Trickfilme zu zeigen und ihr Wissen zum Thema Film zu vertiefen. Gastgeber war erneut Christoph Loster, der sein Trostberger Stadtkino den Organisatoren des Festivals zur Verfügung stellte. „In mein Konzept passt es wunderbar rein. Mich freut es, wenn das Kino belebt wird, die Räumlichkeiten bieten sich auch ideal an.“
Für die Kinder macht es natürlich etwas her, ihre eigenen Filme auf der großen Leinwand zu sehen. So erklärt sich auch die rekordverdächtig hohe Zahl der eingereichten Filme: 40 Streifen wurden an beiden Vormittagen in drei Blöcken gezeigt. Darunter zum Beispiel die „Brennessel-Geschichten“ von der Grundschule Chieming, „Ferien auf dem Bauernhof“ von den Schülern der Grundschule Seeon und eine filmische Auseinandersetzung mit ihrem Biotop der Grundschüler aus Petting. An einigen Filmen ließen sich die Interessensgebiete der Schüler erahnen: So erklärten vier Schülerinnen aus der Grundschule Freilassing ihre „Wildpferdesuche“ mit ihrer Leidenschaft fürs Reiten. Die Ainringer Schüler sorgten mit ihrem unterhaltsamen „Monsterwrestling“ für Lacher im Kinosaal. Der Waldkindergarten Traunstein stellte den jüngsten Filmnachwuchs, der älteste kam aus der sechsten Klasse des Gymnasiums Waldkraiburg: Die Schüler hatten im Deutschunterricht Balladen von Schiller, Goethe und Fontane als Trickfilm adaptiert. Leicht verrückt anmutende Drehbücher wie zum Vierminüter „Wie sich Kornelius Karpfen verliebte“ erinnern sogar an Kinohits aus jüngster Vergangenheit: Die Viertklässler aus Waging verfilmten die Geschichte eines Karpfens, der eine Leidenschaft für eine in den Teich gefallene Gurke entwickelt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Oscar prämierte Film „Shape of Water“ die Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Fischwesen darstellt, lässt die Idee der Schüler durchaus einen gewissen Zeitgeist entdecken.
Den Kindern macht das Trickfilmprojekt großen Spaß – und den Lehrern ebenso. Sie erleben konzentrierten Unterricht und hochmotivierte Schüler. Unterrichtsinhalte lassen sich dabei spielerisch vermitteln, so die Grundschullehrerin Anita Steinmaßl aus Waging. „Die Kinder sind über mehrere Wochen begeistert bei der Sache. Bei der Entwicklung der Geschichte und dem Schreiben des Drehbuchs haben sie zwei Wochen Deutschunterricht, ohne dass sie es merken.“ Durch die Arbeit im Team verbessere sich der Umgang untereinander und auch die Fähigkeit, Kompromisse zu finden, so die Grundschullehrerin.
Trickfilm schafft dazu eine Verbindung mit moderner Technik. Die Motive nehmen die Kinder mit Hilfe von Tablets und einem Miniaturstudio – der Trickfilmbox – auf, eine App fügt die aufgenommenen Bilder zu einem Film zusammen. Die Medienpädagogen von Q3, dem Quartier für Medien, Bildung und Abenteuer in Traunstein, führen die Workshops an den Schulen durch und erleben jedes Mal aufs Neue, wie leicht sich Grundschüler mit der Technik tun. „Die Vermittlung eines sicheren aber auch kreativen Umgangs mit Computern, Smartphones und verschiedenen Programmen ist nach wie vor nicht Teil des Lehrplans, obwohl Medienkompetenz eine immer bedeutendere Fähigkeit in unserer digitalen Welt darstellt“, so Q3-Geschäftsführer Danilo Dietsch.
Mit der gegenwärtigen Relevanz lässt sich auch die Begeisterung der Kooperationspartner erklären, das Projekt weiter auszubauen. Die Zahl der Institutionen spricht für sich: Q3 organisiert das Festival in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Medienzentrale Bayern, der Evangelischen Jugend im Dekanat Traunstein, dem Bezirksjugendring Oberbayern, dem Kreisjugendring Mühldorf, dem Kreisjugendring Berchtesgadener Land und dem Jugendzentrum SZENIT Traunreut. Die Institutionen ermöglichten es bei den Trickfilmtagen neben der Filmvorführung auch Workshops anzubieten, die dieses Mal nicht nur im Kino sondern zusätzlich auch auf der Wiese davor stattfanden: Beim Schminken, Verkleiden und Fotografieren hatten die Schüler großen Spaß und einige bewiesen Talent für die Tricks in der Zirkuswerkstatt. In der Geräuschewerkstatt lernten sie, dass sich an Geschirrtüchern zerren wie Herzklopfen anhört. Vor der grünen Leinwand im TV-Studio durften sie als Nachrichtensprecher, an der Kamera und dem Computer in Aktion treten. In jedem Fall lieferte das Festival den Schülern und Lehrern reichlich Ideen für kommende Filmproduktionen.